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Lichtluftbäder für Schulkinder in Mülsen St. Niclas
Historische schulische Einrichtung diente Gesundheitsförderung
Seit 1925 wurden vielerorts in Deutschland Lichtluftbäder errichtet. Da die finanziellen Mittel der Gemeinden eher knapp bemessen waren, wurde der Bau solcher Einrichtungen in einfacher, hallenförmiger Holzbauweise vorgenommen. Diese standen Kindern minderbemittelter Eltern, aber auch für schwache unterernährte Schüler mittlerer Klassen zur Verfügung.
Die Dauer der Einweisung wurde im vierwöchigen Rhythmus durchgeführt. Von Montag bis Freitag, nach der Schule, ab 14 Uhr, hatten sich die Auserwählten mit Kaffeetopf, Decke und Kopfkissen dort einzufinden. An die anschließende Bettruhe, den meisten Kindern unbekannt, mussten sie sich erst gewöhnen. Jedem Kind stand eine hölzerne Pritsche zur Verfügung. Abwechselnd gab es dann Milch, Kakao, Malzkaffee, Tee oder Pudding und etwas Gebäck. Bei Sport und Spiel konnten sich die Kinder so richtig austoben, und neue Kräfte für die Schule sammeln. Da kein motorisiertes Fahrzeug zur Verfügung stand, mussten die Kinder das Versorgungsgut mit Handwagen selbst den steilen Berg heranschaffen. Bei schönem Wetter wurden die Pritschen ins Freie bugsiert, um die Waldluft voll genießen zu können. Die gesundheitsfördernde Therapie mit Licht- und Sonnenbäder dienten in erster Linie zur Abwehr der Tuberkulose und chronischen Infektionskrankheiten, außerdem wurde die Blutbildung angeregt. Diese schulischen Einrichtungen wurden weitab vom örtlichen Getreibe, meist in Waldnähe errichtet.
In Mülsen St. Niclas zum Beispiel auf dem Kirchberg, am Rande des Kirchwaldes, mit einer steil abfallenden Wiese, die für Ballspiele aber völlig ungeeignet war. Die Kinder vom oberen oder unteren Ortsteil hatten nach dort Wegzeiten bis zu einer halben Stunde zurückzulegen. Ähnlich erging es den Jacober Kindern, deren Lichtluftbad sich an einem Waldstück vor dem Gemeindebad befand.
In den dreißiger Jahren wurden diese Einrichtungen durch modernere Maßnahmen der Kinderbetreuung abgelöst. Nur vereinzelt kann man noch Relikte dieser Zeit sehen. Im Alltag jener Jahre, ohne Fernsehen, meist auch ohne Radio, war der Aufenthalt im Lichtluftbad etwas Besonderes woran sich die Kinder von damals gern erinnern.
Herbert Franke,
Mülsen St. Jacob